Dieses Frühjahr begann Anfang März ganz normal wie jedes andere Jahr, nämlich mit unserer Schneeglöckchenwoche in der Gärtnerei. Und wir hatten zwei neue Mitarbeiter, auf die wir uns freuten. Kaum hatten wir offen, die ersten warmen Tage und schon ging es los.
Ich war froh, vor über 20 Jahren mit den Schneeglöckchensorten begonnen zu haben, so schafften wir es, relativ früh im Jahr die Kunden in die Gärtnerei zu locken, denn über 300 Sorten standen im Schaugarten zum Bestaunen bereit. Ich hörte nebenbei in den Nachrichten von einem Virus und dachte mir: “Wird wohl nicht so schlimm werden”. Pest, Cholera, Ebola und Schweinegrippe sind an uns vorbeigezogen. Der Mensch ist eine Monokultur mit 8 Milliarden Individuen, da kann immer was daherkommen. Dann die unbegreiflichen Geschehnisse Ischgl, es folgte der Lockdown der Regierung und die Ausgangssperre, die geschlossenen Grenzen, endlose Staus auf der nahen Autobahn, leergefegte Landstraßen, die Städte wirkten wie ausgestorben. Wir arbeiteten weiter, was Außenstehende nicht begriffen. Nach einer Sonderregelung des Ministeriums durften wir sogar geöffnet haben, allein es kamen keine Kunden, warum sollten sie auch? Wer sollte denn kommen, Lebensmittel waren ja notwendig, Klopapier ohne Ende … Von einigen Seiten hörte ich: “Du musst dir Hilfsgelder holen. Kurzarbeit beantragen, zack, zack!” Auch der Geschäftsführer der Gärtner, sowie mein Betreuer von der Bank wiesen mich darauf hin. Wir hatten aber Arbeit über Arbeit wie jedes Jahr. Der Versand steckte in den Startlöchern, wir mussten vermehren, topfen. Ein Stehenbleiben kam nicht in Frage. Nur ich alleine in der Gärtnerei, und was dann danach? Nichts vermehrt und zum Schluss überall Unkraut?
Ein Ende der Krise war zwar nicht in Sicht, aber irgendwann musste auch sie wohl vorbei sein, also Augen zu und durch, es gibt Schlimmeres. Arbeiten mit Abstand?
Wir hatten von Beginn an zwei Standbeine. Die Gärtnerei mit ihrem Ambiente, den Schaubeeten und dem riesigen Sammelsurium an seltenen und weniger seltenen Stauden, sowie unsere Homepage mit dem Shop. Die Aufträge, welche über den Webshop kamen, häuften sich bald nach Verbreitung von Covid 19 überproportional, mein monatlicher Rundbrief hat sicherlich auch dazu beigetragen: “Mach dir deinen persönlichen Frühling, gehe in deinen Garten und finde zu dir selbst!“
Alle Gartentage und interne Veranstaltungen wurden kurzerhand abgeblasen, unsere Kunden aus dem Ausland durften nicht mehr über die nahe Grenze zu uns fahren, die DDR ließ grüßen. Wir ließen trotz allem die Krise hinter uns, als wäre nichts gewesen, denn wir durften arbeiten, ja, wir dürfen uns im Nachhinein sogar zu den prozentuell wenigen Profiteuren zählen! Wir produzieren keine Gesichtsmasken, keine Lebensmittel, aber dafür Natur pur und so etwas wie Seelennährstoff, was der Mensch in solchen Zeiten dringend braucht.
Dieses Frühjahr war zwar immens arbeitsintensiv, trotzdem aber viel weniger stressbehaftet als die Jahre zuvor. Fast alles hat sich wieder normalisiert.
Was lernt ein Gärtner aus solchen Krisen, insbesondere der Staudengärtner? Kann man unseren Beruf wirklich als krisenfest bezeichnen? Zu Zeiten der Hochkonjunktur haben wir es mit allerlei Mitbewerber zu tun. Dies ist nicht etwa die Gärtnerkonkurrenz, gegen die wir uns behaupten müssen. Nein, es ist die Autoindustrie, der Tourismus, tolle Kücheneinrichtungen mit allen Schikanen, teurer Schmuck, vornehme Klamotten und vieles mehr. In Krisenzeiten besinnt man sich auf sein Gärtchen. Man will es nett und schön haben.
Wie wird es weitergehen? Das hängt wohl auch davon ab, dass wir uns wieder auf unser Umfeld besinnen, ohne dabei den Globus außer acht zu lassen, wieder kleinräumiger denken und dabei ja nicht kleinkariert aufzutreten. Kindern das Gärtnern, die Schönheiten der unmittelbaren Natur aufzeigen. Und den Klimawandel so ernst wie ein Virus nehmen, denn sonst kommt etwas auf uns zu, wogegen Corona ein Kinderspiel war.
Christian H. Kreß (geb. 1957 in Stuttgart) ist mit Leib und Seele Staudengärtner. Bevor er sich mit Sarastro-Stauden selbständig machte, praktizierte er in Staudengärtnereien in Österreich, Deutschland, Schweiz und den Niederlanden und schloss seine Ausbildung mit dem Gartenbautechniker ab. Er ist in Sachen Stauden nahezu weltweit vernetzt. Ein spezielles Fachgebiet kennt er nicht, zu vielfältig sind seine Interessen. Bekannt ist er auch als Buchautor, als Autor unzähliger Fachartikel, sowie als gefragter Vortragender. Auch in der Weiterbildung konnte er Zeichen setzen. Neben dem Sammeln von gärtnerischer und botanischer Fachliteratur bereist er gerne auch entlegenste Gegenden der Erde, um die Stauden an ihrem Naturstandort zu studieren und daraus Rückschlüsse für die Verwendung im Garten zu ziehen. Einige seiner eigenen Staudensorten sind inzwischen weit verbreitet und prämiert worden.