andreas, hattingen – germany

Corona, der Garten und ich

Was macht die momentane Situation mit mir? Nun, um ehrlich zu sein, zumindest bezogen auf mein Dasein als Gartentherapeut, Gärtner und Kleingartenbesitzer, tut sie sogar gut.

Das beginnt damit, dass ich als Gartentherapeut, der sonst gerne mal Nachfragen, wie „Ach, du heilst Gärten!” beantworten musste ( … und glaubt mir, diese Frage zu stellen ist nicht sehr ausgefallen) plötzlich von einem Tag auf den anderen SYSTEMRELEVANT war. Mannomann, noch vor zehn Jahren musste man dafür wenigsten zuvor irgendwelchen ahnungslosen Kunden Ramsch-Derivate verkauft und eine Anstellung in irgendeiner global agierenden Bank haben und jetzt reicht es, dass ich mich ehrlich und redlich darum bemühe, meinen zum Teil schwer kranken Patienten einfach etwas Gutes zu tun. Systemrelevant finde ich gut!

Das Zweite ist, dass ich als Kleingärtner, der ich zuvor bei der Vorstellung dieses Tuns immer ein fast schon entschuldigendes „das ist gar nicht so schlimm, wie man immer meint“ hinten dran gehängt habe, nun mit meiner Laube und den 350 m² Gartenfläche so etwas wie das neue Statussymbol besitze. All überall beneidet mich plötzlich alle Welt darum. Es ist, als wenn der Besitz eines Schrebergarten zum Insel-Sylt-Aufkleber der Zwanzigerjahre geworden ist. 

Und so verbringe ich in diesem Jahr gefühlt Unmengen an Zeit in diesem Kleingarten. Ist schon Luxus. Was allerdings interessant ist, das ist, dass ich leider auch dort gar nicht mehr aufhören kann, irgendetwas zu tun. Es fällt mir plötzlich schwer, nur dort zu sein, in der Sonne zu liegen, vielleicht etwas zu malen – was ich sonst immer gerne getan habe – oder einfach zu lesen. Nein, ständig muss ich hier was schneiden, dort etwas neu pflanzen oder gar neu anlegen.

Es scheint, als bräuchte ich dieses Aktivsein, dieses Gefühl etwas bewirken, begleiten oder verändern zu können.

Andreas Niepel ist Gärtner, Phytotherapeut, systemischer Coach, registrierter Gartentherapeut nach IGGT und seit 1992 Leiter der Abteilung Garten/Gartentherapie an der VAMED Klinik Hattingen, einer Fachklinik für neurologische und neurochirurgische Rehabilitation.
Zudem betreibt er seit einigen Jahren ein Planungs- und Beratungsbüro, mit welchem er bei diversen therapeutischen Gartenprojekten im Bereich der Rehabilitation und der Pflege involviert ist. Seit 2009 ist er Präsident des Dachverbandes der Gartentherapie, der Internationalen Gesellschaft GartenTherapie (IGGT).

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